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First Vienna FC 1894 - SV Hirschstetten

Nostalgie in Wien-Döbling


Während einige Amateurligen schon in der Winterpause weilen, endet der Spielbetrieb in den höheren Wiener Ligen mittlerweile erst Ende November. Zusätzlich ermöglichen auch die aktuell ungewöhnlich warmen Temperaturen einen angenehmen Stadionbesuch an einem Freitagabend.

Nach einigen Monaten ohne wirkliche Groundhopping-Aktivität verschlug es mich diesmal zu dem ältesten österreichischen Fußballklub. Der First Vienna FC wurde nämlich bereits 1894 gegründet und spielt nach turbulenten letzten Jahren aktuell in der 2. Wiener Landesliga.

Dabei absolvierte der Verein die Hinrunde der vergangenen Saison noch in der Regionalliga Ost, ehe die Döblinger nach einem Urteil des Obersten Gerichtshof zwangsrelegiert wurden. Genauer gesagt klagte der Traditionsverein im Sommer 2017 seine Ligazugehörigkeit zwar vorübergehend erfolgreich ein, schlussendlich folgte aber dennoch der durch den ÖFB vorgeschriebene Zwangsabstieg. So spielt der First Vienna FC fortan – an Stelle ihrer Reservemannschaft – eine Leistungsstufe unter der Wiener Stadtliga.

Der Meistertitel sowie ein damit verbundener Aufstieg in die höchste Spielklasse Wiens können als Minimalziel der Blau-Gelben angesehen werden. Nach einer starken Rückrunde im Frühjahr 2018 steht die Vienna aktuell leistungsgerecht auf dem ersten Tabellenrang. Der Kader ist qualitativ wohl auch zu gut für diese Liga. Erfahrene und gestandene Ex-Profis wie Mensur Kurtisi oder Jiri Lenko bilden das Grundgerüst einer insgesamt jungen aber sehr talentierten Mannschaft.

Mein Anreiseweg führte mich zunächst nach Wien-Heiligenstadt, woraufhin ein fünfminütiger Fußmarsch folgte, welcher direkt vor der Naturarena Hohe Warte endete.

Die Ausgangslage
An diesem Freitagabend empfing der Meisterfavorit den Tabellenletzten aus Hirschstetten, einem Teil des 22. Wiener Gemeindebezirkes. Aufgrund der letzten Ergebnisse – die Vienna konnte zuletzt regelmäßig Kantersiege einfahren – war schon vor Anpfiff klar, dass die Gäste heute vor einer wahrlichen Mammutaufgabe stehen. Während die Heimischen mit einem Sieg einen weiteren Schritt in Richtung Herbstmeistertitel machen könnten, darf Hirschstetten keinesfalls den Anschluss an weitere Abstiegsmitfavoriten verlieren.

Die Naturarena Hohe-Warte
Dank der markanten Flutlichtmasten ist das 1921 erbaute, auf einer Anhöhe gelegene und für mehrere Sportarten genutzte Stadion bereits aus größerer Entfernung sichtbar. Etwas mehr als 7.000 Besucher genießen rund um das gesamte Stadionareal freie Platzwahl. Neben einer großen Haupttribüne verfügt die Heimstätte des First Vienna FC auch über einen Panoramaweg, Grashänge sowie drei Stahlrohrtribünen auf der Gegenseite, die im Bedarfsfall als Gästesektor genutzt werden.

In den letzten Jahren wurden mit Hilfe der Vienna-Fans auch einige Instandhaltungs- und Verschönerungsmaßnahmen durchgeführt. So erstrahlt die Haupttribüne nicht nur vollends in den Vereinsfarben, sie ist durch ein erst kürzlich saniertes Dach auch vor Wind und Wetter geschützt.

Obwohl der Andrang – verglichen mit Regionalliga-Zeiten – an diesem Spieltag überschaubar ist, pilgern 650 Zuseher nach Wien-Döbling, ein Topwert für diese Liga. Die Warteschlange vor der Abendkassa war mehr oder weniger inexistent, sodass ich mich für € 4 Eintritt relativ rasch im Stadioninneren befand.

Die Stadiongastronomie
Kulinarisch hat die Naturarena einige Schmankerl zu bieten. Mehrere Verpflegungsstände offerieren mehr als die gewohnte Stadionnahrung, verrechnen dafür aber auch – in Anbetracht der Liga – überdurchschnittlich hohe Preise. Qualitativ kann das Gastroangebot jedoch absolut mit vergleichbaren Sportstätten mithalten. Erwähnenswert ist wohl der Umstand, dass einige Kioske an Unternehmen verpachtet zu sein scheinen.
Die Fanszenen
Dem einen oder anderen Fußballfan dürfte die Vienna-Fanszene durchaus geläufig sein. Immer wieder stechen die Unterstützer der Blau-Gelben durch ihre politischen Botschaften, ihr sportlich faires Verhalten oder andere erwähnenswerte Umstände hervor.

So versammelten sich auch heute knapp 200 supportwillige Personen am linken Rand der Haupttribüne, um ihre Mannschaft vor allem akustisch zu unterstützen. Obwohl nicht durchgehen supportet wurde, konnten die Anfeuerungsrufe überzeugen. Neben einigen Zaunfahnen gab es auch vereinzelt Fahnen sowie ein Spruchband zu sehen. Selbst diese unscheinbaren Fanutensilien werden genutzt, um die politisch klar linksgerichtete Haltung der Szene zu untermauern. Ob man sich als Fußballfan für diese Umstände begeistern kann, muss jede Person für sich entscheiden. Dennoch weisen die Döblinger somit ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu vielen unpolitischen Anhängerschaften in Österreich auf.

Fantechnisch war die Gastmannschaft sogar noch unterlegener als auf dem Feld. Lediglich einige wenige Gästefans waren inmitten der mehrheitlich blau und gelb gefärbten Stadionbesucher auszumachen und trotzdem hallten vereinzelt Hirschstetten-Rufe durch die Naturarena.

Das Spiel
Die Heimmannschaft – übrigens trainiert von Ex-Profi Peter Hlinka – übernahm sofort das Kommando und wurde prompt dafür belohnt. Nach einem Torwartfoul an der chilenischen Neuerwerbung Patricio Paredes verwandelte Mensur Kurtisi den fälligen Elfmeter zur Führung.

Nur Sekunden später entschied das Schiedsrichterteam folgerichtig erneut auf Strafstoß für die Blau-Gelben. Kurtisi markierte daraufhin bereits früh seinen zweiten Treffer in dieser Begegnung. In weiterer Folge wurden auch die Gäste etwas aktiver, ohne jedoch wirklich gefährlich zu werden.

In der 13. Spielminute stellte Demic freistehend vor dem Gästetorwart auf 3 : 0, um nur zwei Minuten später per Abstauber auf 4 : 0 zu erhöhen. Die überforderte Abwehr der Tabellenletzten kassierte bis zur Pause ein weiteres Gegentor, als der wendige Patricio nach einem schönen Zuspiel erfolgreich war.

Hirschstetten fokussierte sich daraufhin auf Schadensbegrenzung und hätte mit dem Pausenpfiff auf 5 : 1 verkürzen müssen. Der Stürmer vergab nach tollem Zuspiel aber leichtfertig. Die zweite Halbzeit begann schleppend und nahm erst in Minute 60 wieder Fahrt auf. Der zuvor eingewechselte Van Zaanen traf mit seinem ersten Ballkontakt zum 6 : 0.
685 Zuseher durften kurz darauf das siebente Tor der Heimischen bejubeln. Patricio war erneut erfolgreich und belohnte sich für seine starke Leistung. Nachdem das Spiel schon zur Pause eine sportliche Wertlosigkeit angenommen hatte, bilden die weiteren Tore durch Kurtisi sowie Van Zaanen lediglich eine Randnotiz.

Insgesamt gingen die Vienna-Kicker somit als verdiente Sieger vom Platz. Die Gäste müssen sich in den nächsten Wochen definitiv auf die psychologischen Fähigkeiten ihres Trainers verlassen.
Fazit
Trotz der sportlich eher wertlosen Begegnung blicke ich nun auf einen interessanten Fußballabend zurück. Der First Vienna FC bietet – ebenso wie der WSC – eindrucksvolle Matchbesuche und befindet sich auf einem guten Weg, bald wieder in höhere Sphären zurückzukehren.

Bemerkenswert ist die schier unendliche Unterstützung der vielen Fans, welche auch bei Auswärtsspielen für beeindruckende Kulissen sorgen. Spielerisch zeigt zumindest die Heimmannschaft eine größtenteils ansprechende Leistung, der Gegner kann dabei allerdings nur in den seltensten Fällen wirklich mithalten.

Aktuell formiert der Verein eine schlagkräftige Truppe, um auch sportlich in höheren Ligen bestehen zu können. Dank einer guten Infrastruktur werden die Döblinger ihre Heimspiele auch im Aufstiegsfall auf der Hohen Warte austragen. Somit wird sich in einigen Monaten und Jahren hoffentlich auch für euch die Möglichkeit ergeben, dieses ungewöhnliche Stadion im Zuge eines Profi-Spieles zu besuchen.

















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